Vor 25 Jahren vollzog sich der Untergang des größten Imperiums der Neuzeit, der UdSSR.
Dieser Untergang wurde nicht hervorgerufen, wie häuig fehlinterpretiert, durch die Demonstranten auf den Marktplätzen in Ost-Berlin oder Leipzig, im Herbst 1989, sondern hauptsächlich, durch den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan, 10 Jahre zuvor. Im Februar 1989, vollzog sich der sowjetische Rückzug aus Afghanistan.

Das kommunistische Weltreich, welches Helmut Schmidt einmal als Oberwolta mit Atomwaffen, also als eine Nuklearmacht auf Drittwelt-Niveau, titiuliert hatte, im Todeskampf. Es hatten sich Risse im Roten Imperium gebildet.

Nach zehnjähriger Okkupation - durch 130.000 Sowjetsoldaten - mitsamt einem Aufgebot von Hunderten, vielleicht Tausenden von Panzern, waren sie dem Zermürbungskrieg der Mudschahidin erlegen.   
In Moskau hoffte man damals, einem Übergreifen des islamischen Flächenbrandes auf das eigene Territorium, bzw. auf die eigenen muslimischen Ethnien, durch diesen Rückzug, entgegenwirken zu können. 

“Wiedergeburt des Islam”

Das Gegenteil war der Fall. Vom Nordkaukasus bis nach Zentralasien kam es, trotz jahrzehntelanger atheistischer Indoktrination und kommunistischer Propaganda, zu einer “Wiedergeburt des Islam”, die den Niedergang des “Gottlosen” Imperiums beschleunigte.

Die muslimischen Völker - des zerfallenen Eurasischen Riesenreiches - betrachteten die “Höllenfahrt” ihrer entmachteten kommunistischen Kolonialherren mit Verwunderung und fassungslosem Staunen. In das  hinterbliebene ideologische Vakuum und die katastrophalen ökonomischen und ökologischen Hinterlassenschaften des Sowjetsozialismus fielen die Koranverse, demzufolge Allah den Geduldigen, den Standhaften, beisteht, auf einen fruchtbaren Boden.
 
Die sowjetische Soldateska hinterließ ein zerstörtes Afghanistan und kehrte in eine Heimat zurück, die gerade dabei war zugrunde zu gehen.
 
15.000 sowjetische Soldaten blieben auf den Schlachtfeldern zurück, mehr als 1,5 Millionen Afghanen waren ums Leben gekommen.
 
Einige Monate später sollten die kommunistischen Marionetten-Regime in Mitteleuropa, von Warschau bis Sofia, stürzen, beziehungsweise die Mauer in Berlin fallen. 1991 kam es dann zur Auflösung der Sowjetunion selbst.

“Den Friedhof der Imperien” nennt man Afghanistan schon seit den Tagen Alexander des Großen.

Afghanistan zu erobern ist leicht, es zu beherrschen ist unmöglich.

Ignoranz des Westens

Diese Weisheit hat der Westen seit 2002 konsequent ignoriert.
 
Dabei hätten es gerade die Briten  besser wissen sollen, vor ihrem Engagement in der Provinz Helmand, dass man keinen Krieg in Afghanistan gewinnt.
 
Gewiss, das Desaster von 1842, als die aus Kabul ausbrechende Garnision Ihrer Majestät mitsamt Familien und Hilfskräften in den Schluchten des Hindukusch durch Stammesangehörige massakriert wurde, gehört einer anderen Epoche an. Aber wie heiß es doch so treffend. ”Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht begreifen und die Zukunft nicht meistern.”

Das damalige Ereignis war immerhin so sensationell, daß Theodor Fontane dem einzigen Überlebenden, einem Militärarzt, der bis Jalalabad gelangte, eine Ballade widmete: ”Mit Dreizehntausend der Zug begann; einer kam heim aus Afghanistan.”

Bei ihren Expeditionen in dem Land, dürften den Soldaten der Bundeswehr die Vielzahl der zerstörten sowjetischen  Tanks -im Norden Afghanistans- aufgefallen sein.

Dieses ausgebrannte Kriegsgerät, eines Imperiums, vor dem vor 25 Jahren die Welt noch erzitterte, beziehungsweise dessen Ideologie ein Fünftel der Menschheit-von Ost-Berlin-bis Pyönyang-beherrschte, ist dort wie eine historische Mahnung anzusehen.

Als eine Mahnung für das Scheitern von Supermächten, in der rauen Gebirsgwelt Afghanistans.
Die Mahnung wollte man 1991 im Westen nicht erkennen. Viel lieber feierte man sich selbst beziehungsweise das eigene Gesellschaftsmodell und den Sieg im Kalten Krieg.

Der amerikanische Philosoph Francis Fukuyama verkündete gar das Ende der Geschichte, da von nun an sich weltweit die amerikanische Form der Demokratie und des Kapitalismus verbreitet würden.

Kreislauf der Staatsformen

Fukuyama sah nicht voraus, welche Dynamik und Gefahr die Wiedergeburt der Religion als politischer Machtfaktor beinhaltete, auch nicht etwa den phänomenalen Aufstieg der Volksrepublik China, flankiert von einem auf konfuzianischen Werten basierendem politischem Credo, welches als Gegenmodell zur westlichen Demokratie initiiert wird.

Auch die Gefährdungen der westlichen Gesellschaften durch Abbau von Bürgerrechten, den massiven Einfluss von Lobbygruppen auf demokratische Entscheidungsträger, die Überdehnung der Freiheit im Namen der Freiheit, die Verwirrung der Begriffe, den Verlust von Sinn- und Wirklichkeitsbezügen in der multimedialen Kommunikationsgesellschaft und die Attraktivität des Populismus wurden von Fukuyama erst viel später erkannt.

Schon in der Antike wurden politische Herrschaftsformen als unablässiger, nahezu gesetzmäßiger Kreislauf beschrieben, der niemals ruht: Er führt von der Demokratie zur Oligarchie und von dort hin zur Tyrannis, bis mit dem Sturz des Alleinherrschers die Bewegung wieder von vorne beginnt.

Gerade auch in unserem multimedialen Internetzeitalter kann der Zeitpunkt kommen, wo die Bewohner liberaler Gemeinwesen die Vorzüge dieses Systems geringer schätzen als vorangegangene Generationen und das Verlangen nach dem Absoluten, nach Spiritualität, nach Risiken und Gefahren, nach charismatischen Führern wieder überhand nimmt, wie schon oft in der Geschichte der Menschheit.

Vielleicht ist er sogar schon eingetreten. Die abnehmende Begeisterung für die Institutionen der EU in ihrer aktuellen Verfasstheit, die daraus resultierenden Wahlergebnisse und der Aufstieg von Parteien und Ideen, die man in Europa schon als überwunden geglaubt hat, deuten in diese Richtung. Die enthemmte Dynamik unseres Zeitalters, die rasant beschleunigten historischen Entwicklungen, hat der renommierte britische Historiker Niall Ferguson wie folgt hinterfragt: "Was wäre, wenn die Geschichte gar nicht zyklisch und langsam, sondern arhythmisch verliefe, manchmal fast stillstände, dann aber wieder zu dramatischen Beschleunigungen fähig wäre? Was wäre, wenn die historische Zeit weniger dem langsamen und vorhersehbaren Wechsel der Jahreszeiten entspräche, sondern eher wie die elastische Zeit unserer Träume abliefe? Vor allem aber, was wäre, wenn sich der endgültige Zusammenbruch nicht über Jahrhunderte hinziehen würde, sondern eine Zivilisation plötzlich wie ein Dieb in der Nacht überfiele?"

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"